SPIELEN IN DER NACHKRIEGSZEIT

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# Themenschwerpunkt

SPIELEN IN DER NACHKRIEGSZEIT

Spielen in der Nachkriegszeit

In meiner Kindheit liebte ich es, mit meinen Geschwistern und den Nachbarskindern im Garten, im nahegelegenen Wald, auf den Wegen unseres Dorfes und bei Regenwetter auch im Haus zu spielen. Wir hatten viele lustige Spiele. Da Spielsachen Mangelware waren, gab es Gemeinschaftsspiele mit einfachsten Hilfsmitteln, da reichte häufig ein Stein oder ein kleiner Stock und schon ging es draußen los mit „Hinkepinke“.

Aber es gab auch in meiner Kindheit nicht nur lustige „gute“ Spiele. Der 2. Weltkrieg und die Zeit des Faschismus in Deutschland unter den Nationalsozialisten lagen für uns Kinder erst zehn bis zwanzig Jahre zurück. Wir Kinder konnten mit dem Hass gegen das Fremde, das Anderssein eigentlich nichts anfangen, aber manche Spiele spiegelten diese nur kurz zurückliegende schlimme Zeit in unserem Land wider. Bei vielen Älteren von uns ist das Spiel „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“ noch bekannt, wir haben es damals in der Grundschule auf dem Schulhof gespielt. Heute wissen wir, dieses Spiel lebte den Zeitgeist eines kolonialen, rassistischen Deutschlands. Die damals wenigen Schwarzen unter unseren Mitbürger*innen mussten sich ausgegrenzt und, zurückhaltend ausgedrückt, nicht geschätzt fühlen. Auch die Verfolgung der jüdischen Mitbürger*innen und der Volksgruppe der Sinti und Roma tauchte in unseren Spielen auf. Mit großer Scham erinnere ich mich an einen Abzählreim, in dem Juden menschenverachtend verunglimpft wurden. Wir Kinder dachten uns nichts Schlimmes dabei, aber wir nutzten den „lustigen“ Reim, um beim „Versteckspielen“ oder „Ticken“ die Rollen zu verteilen. Ein weiteres beliebtes Spiel für uns Kinder hieß „Ich erkläre den Krieg an…“. Auf dem Erdboden war ein großes viereckiges Spielfeld abgegrenzt worden. Bis zu vier Kinder konnten sich an dem Spiel beteiligen. Waren wir an der Reihe, dann zogen wir, stehend oder hockend in der eigenen Ecke, mit einem Stock Striche um möglichst weitreichende Bereiche des Spielfeldes. Den Nachteil hatten dann unsere drei anderen Mitspieler*innen, ihnen wurde ein Teil der eigenen „Landesfläche“ gestohlen. Mit dem aufkommenden Wohlstand in der Bundesrepublik konnten sich viele Familien auch den Kauf von Spielzeug in den Geschäften leisten. Aber auch hier war die Nachkriegszeit noch nicht überwunden. Erst langsam (bis in die achtziger Jahre) verschwanden im Nachkriegsdeutschland aus den Spielzeugregalen der Spielwarengeschäfte die vielen zusammenzusetzenden historischen Kriegs-Panzer, -Schiffe und -Flugzeuge. Dann hatte sich unsere demokratische Gesellschaft aber auch in der kindlichen Spielewelt durchgesetzt.

Das alles mag uns heute seltsam und unwirklich erscheinen, aber es hat die Kindheit, meine Kindheit geprägt. Hoffentlich werden die Kinder von heute nicht ähnlich von den wieder in die Spielzeuggeschäfte einziehenden modernen Spielzeugwaffen beeinflusst. Meine christliche Prägung spielte bei unseren Spielen in meiner Kindheit leider nur eine untergeordnete Rolle. Heute wünschte ich mir, dass schon damals unsere Kirchen uns Kindern die christliche Botschaft entschiedener als Gegenentwurf zu Kriegstreiberei, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus aufgezeigt hätten. UMS

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